Hof und Stadtraum: Verbindung und Repräsentanz
Das Bezirksgebäude umfasst ein ganzes Geviert im Kreis 4 und nimmt mit seiner Erscheinung als umlaufender Block einen raumbesetzenden, objekthaften Charakter an. Es wird in der Mitte durch eine Verbindung von Block und Hof in seiner Hermetik abgemildert und integriert sich in das Netz der öffentlichen Verbindungen. Damit wird der grosse Hof zu einem öffentlichen Stadtraum mit entsprechenden «Verpflichtungen» bezüglich Repräsentanz einer städtischen Physiognomie. Unabhängig von der inneren Nutzung, die mit einem Gefängnis sehr spezifisch und kleinteilig ist, soll das Gebäude eine davon unabhängige Präsenz und Ausstrahlung haben, um damit die Grundlage für Langlebigkeit und Resilienz im Stadtraum zu bilden. Dazu gehört primär, die neue Hofbegrenzung als Teil der bestehenden Umfassung einzubinden, und gleichzeitig langfristig günstige Bedingungen zu schaffen, um innere Nutzungen und Umbauten zu ermöglichen, ohne den äusseren Zusammenhang des Hofes zu gefährden.
Die Kontinuität der Dachuntersicht schafft einen räumlich gefassten Hof
Das primäre Vorgehen zur Einbindung ist die gesamtheitliche Fassung des Hofraumes: Dachuntersicht, Gesims und Dachkontur folgen den historischen Hauptelementen der ursprünglichen Fassung des Hofes mit einem durchlaufenden, schattenbildenden Horizont als oberem Abschluss. Diesem prioritären Element zugeordnet ist eine vorgelagerte, raumhaltige Struktur, deren Proportionen und Dimensionen eine umlaufende Kontinuität mit dem Rhythmus der Fensterachsen ergeben, während die dahinter liegende Wand die räumliche Begrenzung bildet, mit einer grossen Freiheit in den Verhältnissen zwischen innerer Fassade und äusserer Struktur. Durch dieses Gesicht zum Hof wird das Gebäude als öffentlicher Bau charakterisiert, mit entsprechend erkennbarer Adressbildung. Dabei erzeugt das vorstehende Dach mit dem Eingang zum Haus eine leichte Irritation zwischen der lokalen Symmetrie der Fassade und der Symmetrie der Anlage.
Die raumhaltige Fassade schafft Präsenz und Proportionen zum Hof
Die vordere Schicht der Fassade ist robust und langlebig und ermöglicht so Veränderungen und Anpassungen in der hinteren Ebene. Auf diese Weise kann der Grad an Offenheit, Austausch, oder stärkere Diskretion und Abschirmung auch nach dem Bau mittels Läden, Lamellen oder Vorhängen justiert werden. Die quasi private Wohnnutzung erhält hinter der vorgelagerten Struktur Schutz und Diskretion für die Bewohnenden. Mit der Vorzone wird die thermische Fassade vor Wetter geschützt, sekundäre Elemente wie Sonnenschutz oder Abschirmungen sind kaum ausgesetzt. Zusätzlich können Reinigung und Reparatur einfach über die vorgestellte Konstruktion erfolgen. Bereits in der weiteren Planung sowie über längere Sicht bleibt diese Fassade anpassbar bezüglich Dimensionen und Anforderungen.
Resilienz: was kann das Gebäude langfristig in einem zweiten Leben leisten?
Der Begriff Nachhaltigkeit wird oft oberflächlich als verbreiteter Gemeinplatz verwendet. Unser Ansatz ist eine differenziere Betrachtung und Ausarbeitung verschiedener Teilaspekte eines Entwurfs. Folgende Bereiche halten wir bei diesem Projekt für relevant: Die einfache Struktur und Vertikalerschliessung als robuster Skelettbau mit Stützen und Flachdecken ist zwar pragmatisch, wird mit den wenigen Festlegungen aber über sehr lange Zeit bestehen bleiben (80 Jahre+). Die Struktur des Gebäudes kann auch eine radikale Nutzungsänderungen, etwa als Büro- oder Amtsnutzung aufnehmen. In diesem Fall sind die Geschosse über Differenztreppen anbindungsfähig an die Randbauten. Strukturell ist eine Aufstockung im rückwärtigen Bereich problemlos möglich. Die Umbaufähigkeit der Fassaden bei grossen Nutzungsänderungen oder technischer Obsoleszenz ist gegeben. Zum grossen Hof hin sind dank der Lage der thermischen Hülle in der zurückliegenden Schicht weitreichende Veränderungen möglich, bei konstanter Qualität der Erscheinung und Wirkung zum Hof. Die Lehmziegel können wiederverwendet oder anderweitig in den Materialkreislauf zurückgeführt werden. Das Einbauen von anderen Öffnungen, Anpassungen an Einsicht, Transparenz etc. sind einfach möglich. Durch die beabsichtigen Nutzung erhalten alle relevanten Räume Tageslicht, wo möglich auch Aussicht und Weite. Um die zukünftige Flexibilität gross zu halten wurden alle inneren Einteilungen flexibel, Schächte dezentral und Leitungen als additive Systeme geplant.
Die inneren Höfe behalten ihre Dimension und werden von Einbauten befreit
Dank des offenen Erdgeschosses des Zwischenbaus kommen beide Höfe ohne zusätzliche Überdachungen aus und erhalten so ihre ursprüngliche Proportion. Durch die geringe Höhe des Zwischenbaus bekommen sie mehr Licht und eine räumliche Ahnung des jeweils anderen Hofes. Die Hülle ist wenig ausgesetzt und kann als glatte Fassade mit Lehmziegeln verkleidet werden, so dass sie an die ursprüngliche ornamentlose Fassade des Gefängnistrakts erinnert und diese in die Zukunft trägt.